Die Gewinner der Silhouette 2010
1. Synchronschauspieler Film
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JOHANNES RASPE für Robert Pattinson in "Twilight" und "New Moon" (2009) (beide FFS, B+R: Ursula von Langen) (52.3%)
Foto: Helen Krüger
Preisübergabe an Johannes Raspe am 10. Mai 2010 (HK, TB)
"Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor über zwei Jahren im Studio stand und es hieß, ich solle einen Trailer für einen Vampirfilm sprechen." erzählt Johannes Raspe. Damals ahnte noch keiner der Beteiligten, welchen Hype die Saga um Edward Cullen und die Highschoolschülerin Bella nach sich ziehen würde. Die Folgen gingen auch an dem 32-jährigen Synchronschauspieler nicht vorüber, der als deutsche Stimme von Robert Pattinson plötzlich zahlreiche Anrufbeantworter bequatschen, Klingeltöne einsprechen, Fanartikel signieren und Frauen befreundeter Kollegen mit einem "Anruf der besonderen Art" aus dem Häuschen bringen sollte. "Ich werde oft gefragt, ob ich die von mir synchronisierten Schauspieler während der Premieren kennenlerne, aber es war mir bislang noch nie vergönnt, überhaupt bei einer Premiere dabeizusein. Entweder war ich krank oder der Termin wurde verschoben und ich war am Verschiebetag zeitlich verhindert oder die Aschewolke schwebte im Weg ..." Er selbst kann Idolverherrlichung nicht nachvollziehen, hatte auch als Jugendlicher nie ein Vorbild. Er vermutet, dass es die Unantastbarkeit des ewig starken und unsterblichen, zugleich aber auch zerbrechlichen und haltsuchenden Charakters ist, der die überwiegend weibliche Zuschauerschaft in die Kinos strömen ließ.
Der Familienvater, der früher in seiner Freizeit segelte, hat seit zwei Jahren keinen Fernseher mehr, verkaufte sein letztes großes Gerät für 20 € an glückliche Studenten. "Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Es wiederholt sich doch alles" so sein Resümee. "Ich würde sogar behaupten, heute sehr viel ausgeglichener zu sein und mehr Zeit für die sogenannt wirklich wichtigen Dinge zu haben. Früher hat man immer schnell auf den Knopf gedrückt." Auch Nachrichten verfolgt er nur noch über die Zeitung.
Johannes Raspe übernahm 1988 seine erste Rolle als Fleckerl in der Puppenserie "Flickerl und Fleckerl", nachdem der vorherige Sprecher in den Stimmbruch gekommen war. Das Agieren vor dem Mikrofon erlernte er von seinem Vater. Von 1994 bis 1996 lebte er in Südwestengland und besuchte dort das King´s College Taunton, von 1997 bis 1998 verbrachte er zudem ein Jahr in London, um sein Englisch zu verbessern und Kontakte zum Film zu knüpfen. Regelmäßige Synchronaufträge unterbrachen jedoch seinen dortigen Aufenthalt, sodass er nach Bayern zurückkehrte.
Besondere Erinnerungen verbindet Johannes Raspe indes mit seinem ersten Synchroneinsatz außerhalb Münchens für "Traffic - Macht des Kartells" in Köln.
Der damals 22jährige dachte sich seinerzeit: "Ach, ich steige vom Flugzeug ins Taxi, vom Taxi ins Hotel, vom Hotel ins Studio und zurück zum Flughafen, da reise ich mal mit Gepäck light." Eine Entscheidung, die er im nachhinein bereute. Johannes Raspe schaffte es zeitlich nämlich nicht mehr, vorher im Hotel einzuchecken und fuhr direkt vom Flughafen ins Studio. Dort blieb er bis Mitternacht im Atelier beschäftigt und zog im Anschluss mit dem Produktionsteam durch die Bars und Kneipen der Innenstadt. Morgens um vier ließ er sich - inzwischen angetrunken und todmüde - mit einem Taxi zu seinem Hotel bringen, das so klein war, dass er es als solches zunächst nicht identifizieren konnte. Es war stockdunkel, eiskalt und kein Mensch weit und breit zu sehen. Trotz mehrmaligem Läuten der Nachtglocke rührte sich niemand. Ungünstigerweise war es tiefster Februar, und der junge Mann hatte nichts außer einem Ersatz-T-Shirt und einem zweiten Paar Unterwäsche dabei, die er sich erst einmal übereinanderzog. Da seine Körpertemperatur merklich sank, irrte er morgens um fünf Uhr zitternd zum Dom. Der Dom mit der Hausnummer 4 hatte jedoch geschlossen, genau wie nahezu alle Schnellrestaurants in der Umgebung. Völlig durchgefroren erreichte er schließlich eine geöffnete McDonalds Filiale, in der er einen Mix aus Frühstückscroissants und Big Mäcs aß und vor Müdigkeit immer wieder mit dem Kopf auf dem Tisch aufschlug. Um 8 Uhr fuhr er schließlich mit einem Taxi zum Studio zurück. Die Mitarbeiter, die in Anbetracht seines übernächtigten Aussehens hochinteressiert nachfragten, was denn mit ihm passiert sei, stellten aus lauter Mitleid ein Sofa in den Cutter Raum und fühlten sich angesichts des ungeplanten Vorfalls geradezu schuldig.
Derzeit bereitet sich Johannes Raspe auf sein erstes Hörbuch vor, ein Aufnahmetermin steht jedoch noch nicht fest.
2. Synchronschauspielerin Film
ULRIKE STÜRZBECHER für Kate Winslet in "Der Vorleser" (2008) (Hermes Synchron, B+R: Hilke Flickenschildt) (38.1%)
Foto: Elisabeth von Glasenapp
Preisübergabe an Ulrike Stürzbecher am 26.4.2010 im Café Feuerbach in Berlin (EvG, HK)
Ulrike Stürzbecher, die fünf Stunden lang mit leuchtenden Augen vor uns saß und dabei eine Brotscheibe in Einzelteile zerlegte, wurde als jundes Mädchen von Oliver Rohrbecks Mutter Annelie entdeckt, die in Berlin eine Agentur für Kinder leitete. Erste Kontakte zur Synchronbranche erlangte sie durch Inge Landgut, die ihr die Möglichkeit eröffnete, sie zu Synchronaufnahmen bei der Interopa zu begleiten. Der Gedanke, mit der Stimme zu arbeiten, gefiel ihr, doch strebte sie als Schauspielerin zunächst vor allem eine Tätigkeit am Theater an. Nach einer privaten Ausbildung bei Prof. Erika Dannhoff, einem abgeschlossenen Studium an der Hochschule der Künste, Auftritten am Hebbel- und Renaissancetheater, im Friedrichstadtpalast und in der Komödie am Kurfürstendamm sowie Rollen in Fernsehfilmen- und serien, schätzt sie es heute sehr, als Synchronschauspielerin Teil der internationalen Filmproduktion zu sein. Ulrike Stürzbecher erinnert sich, trotz des zunächst schlechten US Kinostarts von "Titanic" zu einem großen Probesprechen bei der Interopa eingeladen worden zu sein, mit einem Termin um 23:30 Uhr. Um sich wach zu halten, schwitzte sie im Fitnessstudio, bis sie auf dem Trimmrad die Nachricht erhielt, dass sie nicht mehr zu kommen brauche, da ihr die Rolle so gut wie sicher sei. Bis zuletzt hegte sie jedoch Zweifel an ihrer endgültigen Besetzung und war erst davon überzeugt, als sie ihre Stimme auf der Kinoleinwand hörte.
In Kate Winslet sieht Ulrike eine schauspielerische Herausforderung und eine Frau, die voller Überraschungen stecke. Um die Schwere der Figur Hanna Schmitz in "Der Vorleser" besser transportieren zu können, riet ihr die Regisseurin Hilke Flickenschildt dazu, während der Aufnahmen Springerstiefel zu tragen. Infolge ihrer Nominierung für den Deutschen Synchronpreis erhielt Ulrike Stürzbecher mehrere Interviewanfragen, denen sie zunächst etwas skeptisch, im weiteren Verlauf jedoch erleichtert entgegentrat, nachdem sie von ihrem Sieg bei der Wahl zur Silhouette erfahren hatte. "Egal, was passiert, den Zuhörerpreis habe ich schon mal!" lachte sie. Da sie sich zunächst keine Chancen auf den Deutschen Synchronpreis ausgerechnet hatte, sei sie schließlich wie in einem Rausch von dem Ergebnis überwältigt worden. Toneworx, die Herstellerfirma eines "Titanic" Computerspiels ließ es sich indes nicht nehmen, in Ulrikes Kurzvita die Silhouette vor dem Deutschen Synchronpreis aufzulisten, mit der Begründung, ein Publikumspreis sei in seiner Bedeutung wichtiger einzustufen als ein Jurypreis.
Ulrike Stürzbecher, die neben Kate Winslet regelmäßig Jennifer Aniston und Patricia Arquette synchronisiert, bezeichnet ihre drei Schauspielerinnen als "schönes Dreieck". Im Gegensatz zu Winslet wisse sie bei Aniston in der Regel sehr genau, was sie zu erwarten habe. Sie agiere meist locker und mit Leichtigkeit und verkörpere als Frau den typischen "American Way of Life". Patricia Arquette hingegen sei eine sehr weibliche und in sich stimmige Darstellerin. Privat schwärmt Ulrike vor allem für Filme der 1950er Jahre und Persönlichkeiten wie Frank Sinatra und Fred Astaire. Die Romantikkomödie "Hausboot" mit Cary Grant und Sophia Loren kennt sie auswendig.
Neben der Synchronisation ist Ulrike seit 1989 als Sängerin in der Swing Formation "Die Heck-Mecks" aktiv. Das Terzett, zu dem gegenwärtig auch Wendy Kamp und Anja Tappe-Kohler gehören, wurde damals unter der Mitwirkung von Adam Benzwi gegründet und tritt regelmäßig in und um Berlin auf, darunter im "TIPI am Kanzleramt" oder in der "Bar jeder Vernunft". Ihr Repertoire bilden eigene Arrangements im Satzgesang deutscher sowie in die deutsche Sprache übertragene Swing Klassiker, darunter mehrere Titel der US-amerikanischen Vokalgruppe "The Andrews Sisters".
3. Synchronschauspieler Serie
BENJAMIN VÖLZ für Charlie Sheen als Charlie Harper in „Two And A Half Men / Mein cooler Onkel Charlie“
(Cinephon, B+R: Andreas W.Schmidt) ( 52,4 % )
"One And Two Half Men" ;-)
Foto: Helen Krüger
Preisübergabe an Benjamin Völz am 25. April 2010 im Irish Harp Pub in Berlin (EvG, HK)
Benjamin Völz, der am 13. Mai seinen 50. Geburtstag feierte, nahm den Preis in Begleitung seiner Frau Heike Speckter und seiner vier und zehn Jahre jungen Söhne Jim und Joe entgegen. Er war zunächst überrascht, für "Two And A Half Men" ausgezeichnet zu werden, empfand er die Serie "Boston Legal" aus rein schauspielerischer Sicht als größere Herausforderung. Die quotenstarke Sitcom um den ewig betrunkenen Frauenhelden Charlie Harper sowie dessen Bruder Alan und Neffe Jake verspräche ihm hingegen regelmäßig einen amüsanten und entspannten Arbeitstag. Völz hebt in dieser Produktion vor allem das Team hervor, insbesondere Andreas W. Schmidt, der die Dialoge "nur so aus dem Ärmel zu schütteln scheine" und seiner Einschätzung nach den Preis als bester Dialogbuchautor mehr als verdient hat. Regisseur Martin Schmitz ließe zudem gern einmal Änderungen zu, die aus der Situation heraus entstünden. Anders als in den meisten aktuellen Produktionen stehen Benjamin Völz und Viktor Neumann für die Aufnahmen gemeinsam vor dem Mikrofon, diese Bedingung legte der beliebte Synchronschauspieler bereits im Vorfeld fest. Leider bot sich ihm nur selten die Gelegenheit, auch an der Seite der im Dezember 2009 verstorbenen Astrid Bless zu agieren, die die Rolle der Evelyn Harper ins Deutsche übertrug und die nun von Kerstin Sanders-Dornseif weitergeführt wird. In der achten Staffel war für Völz spürbar, dass Charlie Sheen aufgrund seiner öffentlich bekannten Drogensucht "nicht mehr ganz auf der Höhe war". Als eher störend empfindet er in dieser Produktion die im Minutentakt eingespielten, synthetisch klingenden Lachkonserven, die dem Zuschauer auch in Schmunzelmomenten als schallendes Gelächter entgegendröhnen. Passender wirke hier das natürliche Gelächter des bei der Aufzeichnung der Sitcom anwesenden Publikums.
Unter seinen "Stammschauspielern" kann Benjamin Völz keinen Favoriten benennen, doch gefällt ihm Eric Bana sehr gut, den er kürzlich in "Die Frau des Zeitreisenden" sprach. Sein Sohn Joe synchronisierte hier die Rolle seines Vaters, als dieser noch ein Kind war, während die weiblichen Pendants von Ranja und Valentina Bonalana vertont wurden. Seine erste größere, 120 Takes umfassende Rolle als Lalalilu übernahm Joe übrigens in "Wie ich das Ende der Welt erlebte" unter der Regie von Heinz Freitag. Im Gegensatz zu seinem Vater erachtete Joe jedoch seine 10 Takes in "Ice Age 3" als wichtiger ;-).
Benjamin Völz, ab 1977 als Punk unterwegs, wählte 1981 für seine künstlerische Tätigkeit als Maler und Musiker das Pseudonym Ben Gash. Diese Entscheidung fiel, als er am 14. August Zeuge des Fußballspiels Arminia Bielefeld gegen SV Werder Bremen wurde, in dessen Rahmen der Spieler Ewald Lienen foulbedingt eine 25 cm lange Risswunde am Oberschenkel erlitt. Während des Vorfalls sah er im Hintergrund einen Werbebanner mit dem Schriftzug "Gasheizung", der in einer Kameraeinstellung jedoch nur die ersten vier Buchstaben offenbarte: Gash. Da die im weiteren Verlauf an Ben Gash adressierte Post wiederholt zurückgeschickt wurde, ließ er das Pseudonym in seinen Personalausweis eintragen.
Während der Mainzer Museumsnacht am 29. Mai 2010 stellt Ben Gash expressionistische Bilder zum Thema "Stadtgesichter" aus. In Kürze erscheint eine Biografie über ihn und seinen Vater, zu dem er ein gutes Verhältnis hat.
Auf seine aktive Teilnahme in der Sendung "Expedition ins Gehirn" angesprochen, erzählt er, ein Bekannter habe ihm nach Ausstrahlung der Sendung in voller Ernsthaftigkeit sein "Mitleid" ausgesprochen und ihm versichert, er habe bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass er "betroffener Inselbegabter" sei.
4. Synchronschauspielerin Serie
SANDRA SCHWITTAU für Nancy Cartwright als Bart Simpson in "Die Simpsons" (44.8%)
Foto: Helen Krüger
Preisübergabe an Sandra Schwittau am 10. Mai 2010 in den Bavaria Musik Studios in München (HK, TB)
Sandra Schwittau freute sich sehr, für ihre Rolle als Bart Simpson ausgezeichnet zu werden, da sie zu ihren klaren Favoriten zählt. Genau wie Norbert Gastell ahnte sie zu Ausstrahlungsbeginn der Serie im Jahr 1991 noch nicht, dass sich ihre Figur zu einer der bekanntesten und populärsten Zeichentrickcharaktere der Welt entwickeln und sie durch ihre unnachahmliche Synchronisation als wesentlicher Bestandteil einer bis dato rund zwei Jahrzehnte umfassenden Produktion fungieren würde. Sandra Schwittau erzählt, dass das Chargieren auf Dauer ein wenig anstrengend sei, sie das für diese großartige Rolle aber gern in Kauf nehme. Sie selbst ist ein großer Fan der Simpsons. Durch ihre tiefe und etwas angerauhte Stimme wird sie oft auf ganz spezielle Charaktere besetzt, was ihr besonderen Spaß macht. "Von der Sexbombe über die Boxerin, den Transsexuellen, bis hin zu dem kleinen Jungen ist alles dabei!"
Neben der Synchronisation schätzt Sandra Schwittau auch die Arbeit als Erzählerin eines Hörbuchs: "Beim Einlesen eines Hörbuchs bin ich sehr viel freier beim Gestalten, ich kann mein eigenes Timing bestimmen und die Charaktere selbst entwickeln. Das gefällt mir. Am liebsten mache ich Hörspiele, die aber leider immer weniger produziert werden."
5. Dialogbuch Film
BENEDIKT RABANUS et al. für "Watchmen - Die Wächter" (45.1%)
Preisübergabe an Benedikt Rabanus am 9. Mai 2010 im Holiday Inn in München (HK, TB)
Benedikt Rabanus überschlug sich selbst, als er am Abend in unser Hotel geeilt kam, nachdem er aufgrund der zurückgekehrten Aschewolke und den damit verbundenen Reisestops den Nachmittag an einem verstopften Flughafen und im Stau verbracht hatte. Er freute sich sehr, für "Watchmen - Die Wächter" ausgezeichnet zu werden, da er das Dialogbuch unter erschwerten Bedingungen verfassen musste. Wie so oft bei kommerziell ausgerichteten Hollywood Blockbustern waren in dem geschwärzten Film nur die Münder der Schauspieler sichtbar.
Der Sohn der Theaterschauspielerin Ilse Künkele und des soeben mit dem Deutschen Synchron - Ehrenpreis gewürdigten Dialogbuchautors Dr. Gert Rabanus studierte nach seinem Abitur 1978 zunächst ein Jahr lang Theaterwissenschaft an der Ludwig Maximilian Universität, bevor er als Produktionsleiter bei Tele Norm Film und bis 1984 als Aufnahmeleiter tätig war. Ab 1979 verfasste er zudem Synchronbücher für die Linguafilm - die Firma seines Vaters - sowie Untertitel und Dokumentarfilmtexte für den Bayerischen Rundfunk. Der Auftragsboom durch die Privatsender bedingte, dass Benedikt Rabanus die Firma Linguafilm in den 1980er Jahren hauptamtlich führte. Seit 2006 ist sie jedoch aufgrund des Preisdrucks und des erheblichen bürokratischen Aufwands nicht mehr aktiv und existiert nur noch auf dem Papier. Rabanus verdeutlicht, dass die Arbeit als selbstständiger Regisseur und Autor heute lukrativer sei.
Er bezeichnet sich selbst als Verfechter des X-ens, obwohl er durchaus Verständnis für den Unmut mancher Synchronschauspieler aufbringe, die das "flockige Miteinander" vor dem Mikrofon vermissen. Als Regisseur habe er jedoch festgestellt, dass die Personen stärker in ihrer Rolle blieben und konzentrierter arbeiteten, wenn sie einzeln aufgenommen würden. Das Herumgepolter und das Eitelkeitsgehabe seien heute längst nicht mehr so präsent wie früher. Darüber hinaus diene das X-en der Besetzungsqualität und der Zeitersparnis. In seiner Tätigkeit als Dialogbuchautor und Synchronregisseur ist es für Benedikt Rabanus entscheidend, dass bei der Übertragung in die deutsche Sprache die Wirkung einer Aussage oder einer Situation erhalten bleibt. Wörtliche Übersetzungen oder stures Kleben an Worten seien nicht immer von Vorteil. Er ist davon überzeugt, dass nicht alles synchronisierbar ist, insbesondere Filme, in denen die Sprache - und hier vor allem die deutsche Sprache - in nicht unerheblichem Maße thematisiert wird.
Sein bisheriges Lieblingsprojekt ist die britische Zeichentrickserie "Graf Duckula", die verschiedene Dialekte beinhaltete und an der Eddi Arent, Donald Arthur, Ilja Richter, Hartmut Neugebauer und Jochen Busse beteiligt waren. Selbst synchronisiert hat er hingegen nur vereinzelt im Ensemble, seine angenehm tiefe und warme Stimme böte nach Ansicht der Organisatoren jedoch durchaus Potenzial für eine Tätigkeit als Sprecher von CDs zur Tiefenentspannung ;-)
In nächster Zeit plant Benedikt Rabanus die Erstellung einer eigenen Webseite.
6. Dialogbuch Serie
ANDREAS W. SCHMIDT für „Two And A Half Men / Mein cooler Onkel Charlie“ (51,0%)
Andreas W. Schmidt reagierte hocherfreut, als er von seinem Sieg in dieser Kategorie erfuhr. Aus unvorhergesehenen, privaten Gründen war es ihm jedoch nicht möglich, den zuvor festgelegten Termin zur Preisübergabe in Berlin wahrzunehmen. Wir möchten ihn deshalb an dieser Stelle sehr herzlich grüßen, verbunden mit den besten Wünschen und der Garantie, dass sein Preis so lange bei uns in Ehren gehalten wird, bis sich ein neuer Termin ergibt!
Nachtrag!
Foto: Elisabeth v. Glasenapp
Preisübergabe an Andreas W. Schmidt am 23. Mai 2011 im "Landauer" um 19 Uhr.
Andreas W. Schmidt wuchs in Frankfurt am Main auf. Sein Vater war als Sprecher am Aufbau der Hessischen Rundfunks in den 30er Jahren beteiligt. Er war Sprecherzieher, der dann später als Lehrer arbeitete. Seine Schwester Hildburg ist ebenfalls Schauspielerin. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder: eine Tochter (*1969) und einen Sohn (*1981).
1968 machte er Abitur und besuchte die Hochschule für Fernsehen und Film in München, studierte in der Fernsehregieklasse und besuchte, während politische Filme wie Kluges "Artisten in der Zirkuskuppel" angesagt waren, heimlich im Leopold die alten Jerry-Lewis-Komödien. Der Abschluss erfolgte 1972.
Nach der Filmhochschule begann er beim Hessischen Rundfunk als Regieassistent von Peter Beauvais. Bald darauf lernte er das Theaterhandwerk von der Pike auf als Inspizient und mit Regieassistenzen bei Rolf Stahl und Gerd Heinz am Staatstheater Darmstadt. Er erinnert sich gern an eine seiner ersten Assistenzen bei Rolf Stahl in Feydaus "Floh im Ohr", die seinem Hang zur Komödie die handwerklichen Grundlagen legte und die Einsicht festigte, daß Komik nur dann entstehen kann, wenn die Schauspieler spielen, als gehe es um Leben und Tod, selbst wenn nur Tomatensauce auf der Krawatte landet. Diese Haltung mache auch einen Großteil des Erfolgs von "Two and a half Men" aus. Seine ersten Arbeiten als Theaterregisseur folgten, und er blieb dem Theater treu, bis er Anfang der 80er für 1 1/2 Jahre bei der Degeto eine Anstellung als Redakteur für Synchron annahm. Kurz zuvor hatte er sich mit seiner Frau einen renovierungsbedürftigen, denkmalgeschützten Bauernhof in der Pfalz gekauft, in dem es weder Strom noch Wasserleitung gab, und für dessen Renovierung Geld in die Kasse mußte. Dort schuf er sich einen Ausgleich zur künstlerischen Tätigkeit, indem er er vom Dachdecken über das Bauen von Kachelöfen und Heizungen, Verputzen, Mauern, Pflastern und Parkett verlegen alles lernte, was zum Wiederaufbau eines altes Anwesens notwendig ist.
Er ist seit vielen Jahren Mitglied im Verlag der Autoren als Autor für das Kindertheater, für Hörspiele und Radiosketche. Sein erstes Kinderstück war "Jonas in der Wüste". Bald folgte "Die Spielmaschine", eine Bearbeitung von "Das kalte Herz" und seine Radiocomic-Serie "Hier spricht dein Computer", die vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde.
Die Tätigkeit als Redakteur füllte ihn auf Dauer nicht aus, und so begann er 1988 bei Studio Hamburg als Dialogbuchautor und -regisseur. Er ist seit 2000 aber auch regelmäßig für Berliner Firmen tätig und hat seit 2007 in Berlin auch einen Wohnsitz.
Durch seine langjährige Tätigkeit in Hamburg wuchs ihm die Synchronszene wie eine große Familie ans Herz, die auch im Privatleben intensive Kontakte pflege. Er hat unter anderem mit Buch und Regie die Serie "Baywatch" mit Andreas v. d. Meden in der Hauptrolle aus der Taufe gehoben, der nach zwei Staffeln die Regie der Serie übernahm, weil Andreas W. Schmidt sich wieder seiner Comedy-Leidenschaft zuwandte und für Buch und Regie der Serie "Wings" verantwortlich zeichnete, die er mit Lutz Mackensy, Rolf Becker und Monika Barth in den Hauptrollen aufnahm. Hier war er auch für etwa 100 Episoden die deutsche Stimme von Thomas Haden Church in der Rolle des tollpatschigen Flugzeugmechanikers Lowell Mather. Eine seiner Ansicht nach herrliche Comedy, die es leider nie in die großen Sender geschafft hat.
Er erhielt für eine Masterarbeit über "Two and a half men" einen umfangreichen Fragebogen, der auch die Frage enthielt, was er davon halte, dass sich Leute z.B. im Synchronforum lautstark zur Besetzungspolitik äußern. Dazu meinte er "Weiter so!", denn er hält es für ein kulturelles Highlight, daß Menschen sich in ihrer Freizeit so intensiv dem Thema Synchron widmen können. Diese Arbeit ist schon die zweite Arbeit zur Serie. Die erste beschäftigte sich mit einem Vergleich zwischen deutscher und spanischer Synchronisation unter dem Aspekt der verschiedenen kulturellen Konnotationen.
Er arbeite bevorzugt mit bühnenerfahrenen Schauspielern zusammen, da sie es in der Regel gewohnt seien, eher mit dem Subtext einer Szene zu arbeiten als nur die Sprachmelodie zu übernehmen und dabei den Gedanken nicht auszudrücken, der unter dem Text liege. Dies mache sich oft bemerkbar, wenn Synchronschauspieler nahtlos aus dem Werbestudio ins Synchronatelier wechselten. Dann bestehe seine Regiearbeit zunächst einmal darin, seine Schauspieler von der "vorne hoch und hinten tief"-Sprachmelodie auf den Subtext einzustimmen.
Die Qualität der Vorlage entscheidet für ihn die Qualität der deutschen Fassung. "Gute Filme synchronisieren sich gut, schlechte Filme synchronisieren sich schlecht". Er arbeitet seit vielen Jahren immer wieder gerne mit der ProSieben Redakteurin Marion McDonald zusammen, die mit ihm den gleichen Humor teile. Pointen für "Two and a half men" suche er während der Arbeit voller "Blut, Schweiß und Tränen" vor Verzweiflung oft „im Kühlschrank", was pro Staffel einige Kilo an Gewichtszunahme mit sich bringe. Für das Buch einer Sitcom, die er bevorzugt bearbeite, brauche er in der Regel 2-3 Tage von Morgens um 9 bis 2 Uhr nachts, aber wenn er keinen Zeitdruck habe, dürfe es gerne einmal länger dauern. Dabei versucht er, sich an Raymond Chandlers Essay übers Autorenhandwerk zu halten, in dem der dem Autoren unter anderem streng untersagt, sich vor dem leeren Blatt Papier zu drücken, indem er sich dringend die Fingernägel schneiden -, oder die lange aufgeschobene Steuererklärung anfangen müsse. Persönlich hätte er sich übrigens eine hübsche Lesbe als Ersatz für Charlie Sheen gewünscht, bei deren schönen Freundinnen Charlies Bruder Alan erfolglos zu landen versucht.
Trotz allen Erfolgs mit seinen Serien versuche er, nicht abzuheben und die Synchronarbeit im Zweifelsfall eher als Kunsthandwerk denn als Kunst zu verstehen, mit der Betonung auf Handwerk.
Als großer Micky-Maus-Fan besitzt er eine Sammlung aller Hefte von 1951-1968. In diesen Ausgaben erschienen oft Donald-Duck-Geschichten des berühmten Cartoonisten Carl Barks, die von der Redakteurin Dr. Erika Fuchs ins Deutsche übersetzt, nein, kongenial übertragen worden waren. Fuchs hat mit ihren deutschen Fassungen eine ganze Generation von "Donaldisten" geprägt. Dort holt er sich auch schon einmal eine Inspiration.
Nach seiner Theaterarbeit gefragt, erzählt er, daß er die Sommerpausen seiner Synchronarbeit für Auftritte in einigen Molière-Stücken im Rahmen von "Barock am Main" genutzt hat, so als Oront in "Der Menschenfeind“ sowie als Bernd in „Der eingebildet Kranke", alle in der Hessischen Fassung des von ihm verehrten, mittlerweile verstorbenen Dichters Wolfgang Deichsel.
Bei der Arbeit ist ihm Abwechslung willkommen, und so wechselt er gerne vom Texterschreibtisch in seine eigene Sprecherkabine, um den einen oder anderen Werbespot einzusprechen. Er spricht im Synchronstudio gern, aber aus Zeitgründen leider zu selten, wie er sagt. Ein besonderes Vergnügen bereite ihm momentan, als deutsche Stimme von Zach Grenier in "The good Wife" unter der Regie von Bernd Eichner in Erscheinung zu treten.
Nach vier Stunden guten Essens und interessanten Gesprächs machten wir uns auf den Heimweg.
7. Dialogregie Film
FRANK SCHAFF für „Watchmen - Die Wächter" (36,7%)
Foto: Elisabeth von Glasenapp
Preisübergabe an Frank Schaff am 28. April 2010 in seiner Wohnung in Berlin (EvG, HK)
Frank Schaff bewies Gastgeberqualitäten und lud uns trotz engmaschiger terminlicher Verpflichtungen zu sich nach Hause ein. So wurden wir Zeugen seiner architektonisch und stilistisch außergewöhnlichen Wohnung, in der er mit Kollegin Natascha Geisler und zwei geradezu vorbildlich erzogenen Söhnen zusammenlebt.
"Watchmen ist ein Trip!" betont er, dem der Comic bereits im Vorfeld ein Begriff war. "Er ist sehr brutal, aber ein Gesamtkunstwerk mit wahnsinnigen Bildern. Ich mochte die Geschichte und die Ästhetik." Der Film habe ihm sehr viel Spaß gemacht, auch wenn er unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen synchronisiert wurde. Respekt zollt er auch Ole Pfennig, der Hauptdarsteller Jacky Earle Haley ins Deutsche übertrug. "Er lag 1:1 drauf, wirklich der Hammer!"
Der gefragte Dialogregisseur, der im Laufe seiners bisherigen Wirkens breit gefächerte Auslandsproduktionen für das hiesige Programm- und Hollywoodkino bearbeitet hat, vertritt die Ansicht, dass eine Synchronstimme in höchstmöglichem Maße der Originalstimme entsprechen sollte. Er betrachtet die Hinzuziehung von Supervisoren als Zugewinn, da durch ihre Anwesenheit die Werkstreue gesichert sei. Er sieht es nicht als Aufgabe der Synchronisation an, das Produkt zu verändern oder die Leistung des fremdsprachigen Schauspielers mithilfe der deutschen Stimme zu verbessern. Ziel sei, beim Zuhörer die gleiche Wirkung zu erzeugen.
Frank Schaff, der nicht etwa gebürtig, sondern aus familiären Gründen vorübergehend Schaff-Langhans hieß, absolvierte nach seinem Abitur eine Schauspielausbildung bei Prof. Erika Dannhoff, konzentrierte sich mit der Synchronisation von Filmen und Serien jedoch auf eine Tätigkeit hinter der Kamera, ab Beginn der 1990er Jahre mit zunehmendem Schwerpunkt auf Synchronregie. Der Besitzer eines Auto- , Motorrad- und LKW Führerscheins bezeichnet sich selbst als "schlechten Synchrongucker", der über jede falsche Betonung stolpere. Er hört bevorzugt Synchronisationen aus München oder Hamburg, da er in Berlin 60 % aller Ensemblesprecher erkennt und sich den Rest des Films darüber ärgert, die restlichen 40 % nicht erkannt zu haben. Obwohl die Fäden in seiner Funktion als Regisseur stets zu ihm führen, sieht er sich nicht in der Position des herrschenden Chefs. "Ich verfüge nicht über die Leute." unterstreicht er. "Ich bin offen für Impulse, aber Synchronaufnahmen sind keine Diskussionsrunde." Er schätzt sich selbst als zielstrebig und beharrlich, aber auch geduldig und diplomatisch ein. "Ich verlange viel und mache ungern Kompromisse, aber ich werde niemals persönlich und versuche die Spielfreude der Sprecher zu bewahren." Er gibt zu, dass es ihn bestürze, wenn sich im Atelier jemand vor ihm fürchte, doch erinnert er sich nur an eine einzige Situation, in der er wirklich die Fassung verloren hat.
Seinem Kollegen Alexander Löwe, mit dem er regelmäßig für große Hollywoodproduktionen zusammenarbeitet, schenkte er kürzlich ein T-Shirt mit der Aufschrift "Blockbuster Papst". Er verrät, selbst nicht besonders viel Spaß bei der Erstellung von Texten zu haben, da er immer auf der Suche nach der 100% - Lösung sei. Er bevorzugt die Arbeit vor dem Mikrofon oder am Regiepult, besonders gern synchronisiert er Ethan Hawke. Derzeit ist er in der Mystery Serie FlashForward auf Hauptdarsteller Joseph Fiennes zu hören und präsentierte uns auf seinem Laptop ein paar aktuelle "Synchron Outtakes". Zur Auswahl seiner favorisierten Filme, die er bislang bearbeitet hat, gehören nicht etwa die kommerziell erfolgreichen Popcornstreifen, sondern Produktionen wie "Grasgeflüster", "Still Crazy", "Lucky Numbers Slevin" oder "Walk Hard". Als "Film mit den meisten Flugmeilen" ist Frank Schaff derweil "Mission Impossible 3" in Erinnerung geblieben. Während die Buchbesprechung in Los Angeles stattfand und die Dialogabnahme in Paris, bildete die Mischung auf der Skywalker Ranch in der Nähe von Nicasio in Kalifornien den krönenden Abschluss.
8. Dialogregie – Serie
DOMINIK AUER für "Legend of the Seeker" (47,7%)
Foto: Helen Krüger
Preisübergabe an Dominik Auer am 10. Mai 2010 in den Bavaria Musik Studios in München (HK, TB)
Dominik Auer war zeitlich etwas eingespannt und nutzte die Pause zwischen zwei Terminen, um seinen Preis für die beste Dialogregie einer Serie entgegenzunehmen.
Obwohl er kein Fantasy Fan sei, habe ihm "Legend of the Seeker" von Anfang an zugesagt. "Die Serie war nicht so angestaubt, sondern wurde mit viel Witz realisiert." beschreibt er seinen Eindruck. "Wir haben mit hohem Qualitätsanspruch an diesem Projekt gearbeitet, erheblich Zeit und Mühe investiert und die Charaktere bis in die Nebenrollen gut besetzt." Den verantwortlichen Redakteur Bernd Legath bezeichnet er als "überragend", da er dem Ensemble künstlerische Freiheiten ließ.
Dominik Auer, der regelmäßig im Synchron-Forum vorbeischaut und sich zuweilen aktiv an Diskussionen beteiligt, legt in seinem Beruf Wert auf Qualität. Bei Disputen ist er zunächst bestrebt, vernünftig zu argumentieren oder einen Kompromiss zu erzielen. Nehmen die Differenzen überhand und kann er sich mit den strittigen Vorgaben nicht identifizieren, steigt er aus einem Projekt aus. "Ich stehe mit meinem Namen für das Ergebnis, also sollte es einem Qualitätsniveau genügen, in dem ich mich wiederfinde. Wenn Verantwortliche "von oben" über keinerlei Kenntnisse verfügen und es nur noch darum geht, möglichst billig zu produzieren und austauschbare Stimmen schlecht ausgebildeter Sprecher zu besetzen, verliert unsere Arbeit ihren künstlerischen Aspekt."
Er bedauert es, dass "Legend of the Seeker" nach zwei Staffeln eingestellt wird, da ihm sehr an diesem Projekt gelegen war.
9. Neuentdeckung
ANNINA BRAUNMILLER (67,7%)
Foto: Helen Krüger
Preisübergabe an Annina Braunmiller am 8. Mai 2010 in ihrer WG in München (HK, TB)
Trotz ihres Umzugsstresses nahm sich Annina, die mit ihrem Kollegen Patrick Roche die "coolste und einzige Synchron WG" Münchens bildet, geschlagene sieben Stunden Zeit, um sich mit uns bei Pizza, Cola light und Zigaretten über Gott und die Welt zu unterhalten.
Im Alter von 12 Jahren träumte sie davon, mit 25 für den Oscar nominiert zu sein und im Eiskunstlauf einen doppelten Axel springen zu können; nach ihrem Geburtstag am 26. April resümierte sie, es sei ihr immerhin gelungen, einen halben Axel zu springen und mit der Silhouette ausgezeichnet zu werden, die sie als Anerkennung für ihre Tätigkeit wertschätzt. Annina finanzierte sich mithilfe eines Nebenjobs ihre insgesamt 18 000 € teure Ausbildung an der Stage School in Hamburg überwiegend selbst. Ihr gefiel vor allem das umfassende Angebot an dieser Schule, in der sie die International Class besuchte und der Unterricht in englischer Sprache abgehalten wurde. Dass sie nicht nur mit ihrem früheren Pferd, sondern auch mit ihrer heutigen Perserkatze Englisch spricht, davon durften wir uns direkt vor Ort persönlich überzeugen.
2007 stand Annina unter der Regie von Ekkehardt Belle erstmals im Synchronstudio, um in "Hostel 2" dreckig ins Mikrofon zu lachen. Mit "Ihre Schuhe bitte, Sir!" folgte kurze Zeit später in "The State within" ihr Premierensatz als Ensemblesprecherin, bevor sie in "High School Musical 2" erstmals eine Rolle mit Namen zugeteilt bekam. Stolz ist Annina, die sich selbst als romantisch bezeichnet, auf den Film "Paris Paris", der ihr nicht nur inhaltlich zusagt, sondern in dem sie auch mit ihrem Ergebnis als deutsche Stimme von Nora Arnezeder zufrieden ist. Darüber hinaus gefiel es ihr, vor kurzem in "Solitary Man" ein "böses Mädchen" spielen und charakterliche Tiefen ausschöpfen zu dürfen. In positiver Erinnerung ist ihr der bei Splendid in Köln synchronisierte Film auch deshalb geblieben, weil sie am Flughafen von einer Mercedes Limousine mit Chauffeur abgeholt wurde -> ein Moment, der in ihr doch eine gewisse Nervosität auslöste. Sie bereitet sich gern auf ihre Rollen vor, indem sie sich - wenn möglich - vor Produktionsbeginn die entsprechenden Filme und Serienepisoden ansieht. Vor ihrer Hauptrolle in "Twilight" las sie auch die zugehörigen Romane von Stephenie Meyer. Annina legt Wert darauf, im Studio nicht sich selbst, sondern ausschließlich die Figur darzustellen.
Mit der ungekürzten Lesung von "Twilight" veröffentlichte sie 2010 ihr erstes Hörbuch. "Ich habe mir selbst Erfolgsdruck aufgebaut." gibt sie zu. "Ich hatte Angst, den Erwartungen nicht gerecht werden zu können." Umso irritierter war sie, als sie im Rahmen der Leipziger Buchmesse nach einer Lesung von Literaturnobelpreisträger Günter Grass aus dem Vampirroman rezitieren sollte und sich die Anzahl ihrer Zuhörer im Vergleich zu ihrem Vorredner plötzlich verfünffacht hatte. "Ich entdeckte sogar mehrere ältere Damen im Publikum, von denen ich glaubte, sie seien nach dem Auftritt von Günter Grass einfach sitzengeblieben, doch sie hatten sich gezielt für meine Lesung entschieden, um die Hysterie der Enkel zu verstehen, die seit Monaten von nichts anderem schwärmten." Die ungekürzte Fortsetzung "New Moon" nimmt Annina im Juli auf, im Herbst erscheint zudem ihr neues Hörbuch "Nach dem Sommer", in dem auch Max Felder als Werwolf mitwirkt.
Der Hype um die Vampir Saga habe ihr als Sprecherin vor allem Vorteile gebracht, stellt sie fest. Sie ist regelmäßig in einschlägigen Foren unterwegs, ohne sich zu erkennen zu geben, da sie den offenen Austausch unter den Fans schätzt und ihn durch ihre unmittelbare Präsenz nicht beeinflussen möchte. Derzeit freut sie sich auf ihre Rolle als Hermia in "Ein Sommernachtstraum", die sie in Kürze für die "Augsburger Puppenkiste" übernimmt.
10. Zeichentrick / Animation
"CORALINE" (RC Production Kunze Wunder GbR, Buch und Regie: Oliver Rohrbeck) (45,3%)
Oliver Rohrbeck, dem wir den Preis als verantwortlichem Synchronregisseur und Dialogbuchautor stellvertretend überreichen wollten, reagierte mit einer persönlichen Nachricht, in der er seine Freude über den Sieg zum Ausdruck brachte. Aus terminlichen Gründen war es ihm während unseres Aufenthalts in Berlin jedoch nicht möglich, den Preis persönlich entgegenzunehmen. Wir schicken ihn deshalb an das zuständige Synchronstudio.
11. Filmklassiker vor 1989
MARY POPPINS (Simoton Film, B/R: Eberhard Cronshagen, 1965) (45.8%)
"Wunderbare Synchronisation eines zeitlosen Klassikers!"
12. Filmklassiker ab 1989
"UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER" (FFS München, B/R: Arne Elsholtz, 1993) (39,7%)
"Auch in der zigsten Wiederholung eine pointierte, witzige Synchronisation!"
13. Serienklassiker
"ALF" (1986-1990, Beta-Technik) (46,3%)
14. Zeichentrickklassiker
"NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS" (Buch und Regie: Frank Lenart) (25,5%)
Preisübergabe an Frank Lenart am 9. Mai 2010 im Arz Miller Café in München (HK, TB)
Frank Lenart empfing uns unmittelbar neben der Theatinerkirche am Odeonsplatz in der Münchner Altstadt und bewies einen langen Atem angesichts der wieder mal durch die Gegend irrenden Organisatoren, die auf der Suche nach einem freien Parkplatz immer schön im Kreis herumfuhren. Forumsleiter Tobias Becker, der von Helen vorzeitig aus dem Auto geschleudert wurde, um zwecks erster Kontaktaufnahme schon mal vorzupreschen, traf dann sogar noch 15 Minuten später ein, als Helen selbst ;-)
Der Schauspieler, Sprecher, Synchronregisseur, Dialogbuchautor und Liedtexter Frank Lenart, der im Laufe seines bisherigen Schaffens für die deutschsprachige Umsetzung vieler Disney-Produktionen verantwortlich zeichnete, betrachtet "Nightmare before christmas", nicht zuletzt aufgrund der "wunderschönen Vorlage", als sein Lieblingsprojekt und sein bis dato gelungenstes Werk. Gemeinsam mit Ron Williams, der in dieser Produktion als Stimme von Ougie Boogie überzeugte, arbeitet er gegenwärtig an verschiedenen Projekten, die sich in Richtung Theater und Musical bewegen, zu denen er aber noch keine näheren Details verraten möchte. Als Herausforderung empfindet er Filme, die als unsynchronisierbar gelten, darunter die Zeichentrickverfilmung "Aladdin" aus dem Jahr 1992. "Lieber versaue ich es, als jemand anderes!" gibt er mit einem breiten Grinsen zu. Als sein bislang schwierigstes Projekt benennt er die Synchronisation der 45 Episoden umfassenden Serie "Monthy Pythons Flying Circus", die Mitte der 1990er Jahre auf SAT 1 ausgestrahlt wurde. "Insbesondere für Disney gelten strenge Kriterien." erzählt Lenart. "Während ich mit der Synchronisation von Zazu in "König der Löwen" zufrieden war, reagierte die Produktionsfirma in den USA mit konstruktiver Kritik und forderte eine Umbesetzung, der wir mit Eberhard Prüter gerecht wurden." Soeben sei ein Dokumentarfilm erschienen, der die goldene Disney-Zeit der 1990er Jahre hervorhebe.
Lenart, der im Rahmen diverser Animationsfilme bereits mit mehreren Prominenten zusammengearbeitet hat, erinnert sich, dass ein Teil von ihnen vor dem Mikrofon erst lebendig wurde, nachdem man eine Filmkamera im Atelier aufgestellt hatte.
Der Sohn des Schauspielers Ernest und der Übersetzerin Renata Lenart wurde Silvester 1955 in Los Angeles geboren. Auf Einladung des Berliner Senats anlässlich des 100. Geburtstag seines Großvaters Franz Oppenheimer reiste die Familie zurück nach Deutschland und lebte von 1965 bis 1972 in Berlin. Während sein Vater am dortigen Schillertheater engagiert war, besuchte Frank Lenart die John F. Kennedy Schule. 1973 zog er mit seinen Eltern nach München und verließ die American Munich School 1974 mit dem Highschoolabschluss. Danach studierte er eineinhalb Jahre an der University of Maryland.
Frank Lenart, der aufgrund des künstlerischen Wirkens seines Vaters bereits in früher Jugend Kontakt zu Schauspielern und Regisseuren hatte, stand erstmals 1966 in einem Synchronatelier, um dem Geräuschemacher bei seiner Arbeit zuzusehen. Er synchronisierte zunächst vom Deutschen ins Englische, ab 1978 auch umgekehrt. 1982 bot ihm Dr. Gert Rabanus schließlich seine erste Hauptrolle in "Schatten der Vergangenheit" an. Neben der Synchronisation in Form von Stimme, Buch, Liedtexten und Regie umfasst sein bisheriges Schaffen auch Rollen am Theater, in Film und Fernsehen, die Übersetzung von Drehbüchern, Mitwirkung in Werbspots und Wirtschaftsfilmen sowie Supervision.
15. Lebenswerk Synchronschauspieler
THOMAS DANNEBERG (43,1%)
Foto: Elisabeth von Glasenapp
Preisübergabe an Thomas Danneberg am 26. April 2010 im Café Kleisther in Berlin (EvG, HK)
Thomas Danneberg, der uns in mehr als sieben Stunden aus seinem interessanten und bewegten Leben erzählte, entwickelte bereits in früher Jugend Kontakt zum Theater. Allein zwölfmal sah er sich am Deutschen Theater in Berlin "Nathan der Weise" an, in der neben Eduard von Winterstein als Sultan Saladin und Lothar Blumhagen als junger Tempelherr auch seine Nenntante Inge Huber als Recha agierte. Der - wie er sich selbst bezeichnet - "kleine Thommy aus der Dunkelkammer", der im Alter von 16 Jahren mit seinem Moped nach Paris fuhr und eigentlich Medizin studieren wollte, erlernte auf Island zunächst den Beruf des Hochseefischers, bevor er von dort aus 1960 nach New York City reiste und als Tellerwäscher Geld verdiente. Mit einem Mail Train fuhr er weiter nach New Orleans und arbeitete als Bossboy in Mr. Kolb´s German Restaurant in der Bourbon Street im French Quarter. Dort hörte er der Jazzband um Octave Crosby zu, die jeden Abend ihr Programm spielte. Das Gesetz der Rassentrennung verbot es ihm jedoch, in der Gruppe als Schlagzeuger einzusteigen.
Thomas Danneberg erinnert sich, auf der Suche nach dem Haus von Louis Armstrong im berüchtigten "West End" gelandet zu sein, eine Gruppe Jugendlicher brachte ihn aber unversehrt zum French Quarter zurück. Mit einem Greyhond Bus reiste er schließlich zur mexikanischen Grenze, wo er sich als gestrandeter Matrose seine Heimfahrt auf einem Cargoschiff verdiente. Zurück in Deutschland begegnete er im Dunkeln zwei Volkspolizisten im Wald, die ihm den kürzesten Weg zur Hauptstraße zeigten und von wo aus er per Anhalter in einem LKW mit nach Berlin genommen wurde.
Seine Schauspielausbildung begann Thomas Danneberg 1962 nach einem Vorsprechen mit daraus folgendem Stipendium im Schauspielhaus Zürich, wechselte jedoch nach einem halben Jahr zur Berliner Schauspielschule von Marlise Ludwig.
Er verrät, trotz seiner jahrzehntelangen Erfahrung vor dem Mikrofon vor Aufnahmen nervös zu sein, weshalb es ihm wichtig ist, sich zuvor mit dem Film und den Dialogen vertraut zu machen. Er gibt zu, sehr kritisch mit sich selbst zu sein und nicht länger als drei Sätze hinzuhören, wenn ihm seine Stimme durch Zufall im Fernsehen begegnet. Auf seine Stammschauspieler angesprochen, bedauert er es, dass sich Terence Hill, Adriano Celentano und Arnold Schwarzenegger aus dem Filmgeschäft zurückgezogen haben.
Besonders anspruchsvoll gestaltete sich das Dialogbuch zu der Serie "Wheels", in der es galt, die Sprache aus drei Gesellschaftsschichten glaubhaft umzusetzen. Positive Rückmeldung von oberster Stelle erhielt er zudem für seine originalnahe Textfassung aller James Bond - Filme.
Als Synchronregisseur legt Thomas Danneberg Wert darauf, auf Ensemblesprecher besonders einzugehen, autoritäres Verhalten liegt ihm nicht. Privat mag er vor allem französische Filme der 1950er und 1960er Jahre sowie klassische, wissenschaftliche Dokumentationen. Mehr als 25 Jahre lang segelte er in den olympischen Klassen Finn-Dinghy und Soling. Gemeinsam mit Abbi Hübner, der Bandleader und Trompeter der "Low Down Wizards" ist und den Danneberg als seinen Mentor bezeichnet, trat er insgesamt 30 Jahre lang monatlich im Hamburger Cotton Club als Jazz-Schlagzeuger auf. Weitere Stationen bildeten unter anderem der Star-Club, Onkel Pö, das Hotel Atlantic, das Hotel Remter, das Winterhuder Fährhaus und Pat O Briens in New Orleans auf der Reeperbahn. Mit seiner eigenen Band "Sons of Ko" steht Thomas Danneberg seit 2002 bundesweit in unregelmäßigen Abständen auf der Bühne.
16. Lebenswerk Synchronschauspielerin
TRAUDEL HAAS (44,6%)
Foto: Elisabeth von Glasenapp
Preisübergabe an Traudel Haas im „Les Bouchees de Maufel“ in Berlin-Charlottenburg am 28.4.2010 (EvG, HK)
Der Zeichentrickfilm "Das letzte Einhorn", in dem Traudel Haas 1982 die gleichnamige Titelfigur sprach, gehört bis heute nicht nur zu ihren Lieblingsfilmen, sondern kennzeichnete zudem eine Art Meilenstein in der Geschichte der Synchronisation. "Erstmalig wurden auch die deutschen Synchronschauspieler auf den Werbeplakaten der Litfaßsäulen veröffentlicht und zur Filmpremiere eingeladen. Da lange Zeit die Synchronarbeit als etwas verrucht galt, kam die bis dahin weitgehende Anonymität der Synchronbranche vielen Schauspielern, Autoren und Regisseuren entgegen." Sie erinnert sich auch heute noch gerne an die Aufnahmen mit so wunderbaren Kollegen wie Barbara Ratthey und Torsten Sense, denen ein extrem aufwendiges Casting vorherging. Auch Christopher Lee, der die Rolle des König Haggard bereits in der Originalfassung gesprochen hatte, erlebte sie als sehr kollegial.
Auf ihre Lieblingsschauspielerinnen angesprochen, betont sie, dass ihr Kathleen Turner schon besonders gut in "V.I. Warshawski" gefallen habe, da sie hier ähnlich wie in "Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten" und "Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil" eine sehr unabhängige und tatkräftige Frau spiele - eine Rolle, wie sie sonst meist Schauspielern vorbehalten sei.
Aber auch Frances McDormand, Kristin Scott Thomas und Annette Bening spricht sie immer sehr gerne. Ihre Stimme klingt bis heute weich und strömend.
Traudel (eigentlich Gertraude) Haas (*3.9.1945), die Tochter einer Opernsängerin, verließ mit 15 Jahren ohne Abitur die Schule und begann dank eines Stipendiums als jüngste Schülerin mit fünfzehneinhalb - Mindestalter für die Zulassung war eigentlich 16 - eine dreijährige Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar (heute: Universität der Künste) in Berlin.
Sie begann ihre Theaterkarriere mit einem Anfängervertrag am Schiller- und Schlossparktheater. Dort trat sie als „Ludmilla“ in Maxim Gorkis "Wassa Schelesnova", neben Stefan Wigger im "Lumpazivagabundus" von Johann Nestroy und in Goethes "Faust II" auf.
Danach folgten Auftritte am Hebbel-Theater, wo sie in "Das Geld liegt auf der Bank" von Curth Flatow die Tochter von Rudolf Plattes „Gustav Kühne“ spielte, und Shakespeares "Wie es Euch gefällt" mit Otto Sander an der Freien Volksbühne.
Die Aufführung von Michael McClures "Der Bart" am Forumstheater fand nach nicht einmal drei Wochen wegen Zuschauermangels ein vorzeitiges Ende, nachdem dieses provokante Stück über die fiktive Begegnung von Jean Harlow und Billy The Kid mit anschließender Diskussion drei Monate geprobt worden war.
Traudel Haas hat zwei Töchter: Noch vor ihrem Abschluss an der Schauspielschule kam ihre ältere Tochter Stefanie 1964 zur Welt und im Alter von 42 folgte - fast zeitgleich mit ihrem Enkelkind - ihre jüngere Tochter Sun, die vereinzelt neben ihrem Studium zur Modedesignerin auch in der Synchronisation tätig ist.
Texte zur Preisübergabe an Traudel Haas & Andreas W. Schmidt: Elisabeth von Glasenapp
Alle anderen Texte: Helen Krüger